Special Editions, Distillers Cut, Sonderabfüllung, Jahresedition….
Ich gebe zu, ich bin nicht immer die Erste, die einen neuen Trend mitbekommt. Aber ich bilde mir ein, inzwischen einen relativ guten Überblick über das Gin-Angebot auf dem (deutschen) Markt zu haben, sowohl was die Hersteller als auch die Sorten angeht. Und da fällt mir in den letzten Wochen vermehrt auf, dass anscheinend jeder zweite Hersteller eine Spezialedition herausbringt, natürlich auch zum Spezialpreis. Diese nennt man dann Distillers Cut, Sonderabfüllung oder einfach Special bzw. Limited Edition. Oft unterscheiden sie sich nur durch ein zusätzliches Botanical oder eine leicht veränderte Rezeptur vom Standardprodukt.
Vorreiter ist hier seit vielen Jahren Monkey 47, die alljährlich im Herbst ihren Distillers Cut auf den Markt bringen. In den letzten Jahren wurde der Monkey DC über ausgewählte Händler vertrieben, dieses Jahr hat Monkey den Direktverkauf über eine eigene Internetseite versucht. Diese brach zum Startzeitpunkt direkt zusammen und es ergab sich ein heilloses Durcheinander, an dessen Ende manche leer ausgingen, andere trotz der Restriktion von nur 1 Flasche je Einkauf letztlich doch diverse Boxen ergattern konnten.
Die vergriffenen Editionen aus Vorjahren werden bei ebay zu horrenden Preisen angeboten. Das verknappte Angebot und die “Sammel-Leidenschaft” vieler Ginfreunde ergeben hier teilweise irrwitzige Forderungen. Ob diese tatsächlich bezahlt werden oder eher frommer Wunsch der Anbieter sind, kann ich natürlich nicht beurteilen. Ich selbst werde keine 500 oder gar 1000 Euro für ein Fläschchen Gin ausgeben. Aber vielleicht gibt es demnächst mal einen Vergleich der letzten Monkey DC mit dem normalen Monkey 47 hier auf dem Blog?
Auch bei Gin Sul und Siegfried ist ein ähnlicher Hype um die Sonderausgaben zu beobachten. Und viele andere Hersteller springen ebenfalls auf den Zug mit auf, in unterschiedlichsten Formen.
Deutsches Phänomen oder auch in anderen Ländern?
Wie es im Ausland aussieht, kann ich nicht so genau beurteilen. Es würde mich aber sehr interessieren, ob dieser Trend auch in anderen Ländern zu beobachten ist oder sich dieser nur in Deutschland so auffallend zeigt?
Barrel Aged Gin – aktueller Trend?
Ein Trend beim Thema Spezialeditionen scheinen fassgereifte Gins zu sein, neudeutsch barrel aged gins. Hier wird der Gin einige Wochen oder Monate in einem Holzfass gelagert und nimmt durch diese Fassreifung zum einen eine mehr oder weniger goldene Farbe an, zum anderen natürlich die jeweiligen Aromen des Fasses. Hier gibt es wiederum viele Varianten, je nachdem was für ein Fass genutzt wird und was da eventuell vorher drin war.
Das ist an sich auch gar nichts Neues. Viele Hersteller bieten schon seit Jahren eine fassgereifte Variante ihrer Gins an. Diese kosten ein bisschen mehr als die Standardgins, was sich ja auch durch die etwas höheren Herstellungskosten erklären lässt. Im Verhältnis sind die Unterschiede zwischen Standard und fassgereiftem Gin aber bei diesen Anbietern meist nicht so groß.
Nun scheint aber in jüngster Zeit jeder zweite Hersteller eine barrel aged Variante auf den Markt zu bringen. Diese werden mit viel Marketing beworben und insbesondere suggiert man den Kunden, dass es sich hier um ein äußerst rares Gut handelt. Klar, so ein Fass hat ein begrenztes Fassungsvermögen und dementsprechend ergeben sich aus einem Fass nur eine begrenzte Menge Flaschen. Aber einige Hersteller belassen es trotz hoher Nachfrage bei diesem einen Fass pro Jahr und bieten somit nur 100, 500, 1000 Flaschen der Spezialedition an. Künstliche Verknappung, gepaart mit dem seit Jahren andauernden Gin-Hype, sorgt für hohe Nachfrage. Manche Gins werden schon ein Jahr im Voraus vorbestellt.
Weitere Marketingmaschen
Andere machen es noch geschickter und bewerben ihren Gin mit “nur xyz Flaschen pro Batch”. So erzeugen sie ebenfalls den Eindruck, ein rares und seltenes Gut anzubieten. Dass nach dem ersten Batch einfach der zweite und viele weitere folgen, ist oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Das vermeintlich seltene Sammlerstück ist somit dann nur eine Flasche von vielen, wenn auch immerhin ein Batch one, falls man schnell genug war.
Wieder andere ändern nur das Etikett oder die Flasche und der Inhalt bleibt dergleiche (wobei ich hier dazusagen muss, dass die mir bekannten Hersteller diese Flaschen zum selben Preis verkaufen wie die Standardausgaben).
Anderen kreieren sowieso immer wieder mal einen neuen Gin, früher hätte er einfach einen Namen bekommen, heute ist es aber dann ein Distillers Cut.
Geburtstags- oder WM-Editionen, Jahresabfüllungen, Sonderausgaben in Kooperation mit Bars, Handelsketten oder Magazinen… der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, Anlässe gibt es reichlich.
Natürlich ist das alles völlig legitim und wenn ich Ginhersteller wäre, würde ich das vielleicht auch so machen. Denn es scheint momentan quasi eine Gelddruckmaschine zu sein, eine limitierte Sonderedition anzubieten. Die Käufer stehen Schlange, um den doppelten oder sogar noch höheren Preis im Vergleich zum jeweiligen Standardprodukt zu zahlen.
Lohnt es sich?
Viele dieser Flaschen wandern direkt zu ebay oder in gut verschlossene Schränke, eher selten sieht man Verkostungsberichte zu den Sondereditionen. Ich selbst nehme mich da gar nicht aus, ich bin ja auch bekennende Sammlerin. Und natürlich überlegt man es sich zweimal, ob man jetzt zum jederzeit nachkaufbaren 30-Euro-Gin greift oder zur vergriffenen 80-Euro-Flasche. Die Entscheidung für das eine oder andere will ich auch nicht kritisieren.
Die Frage “lohnt es sich” kann ich auch nicht beantworten beziehungsweise nur für mich. Jeder muss selbst entscheiden, was ihm eine Flasche Gin wert ist. Der eine zieht die Grenze bei 30 Euro, der andere bei 500. Der geschmackliche Unterschied und herstellerische Aufwand rechtfertigen meiner Meinung nach solche Preisunterschiede nicht. Aber wie bei jeder Leidenschaft spielen hier eben auch andere Faktoren mit hinein.
Wohin soll das führen?
Die Frage, die ich mir stelle, ist eher, wie weit dieses Spiel noch getrieben werden kann? Ich bin selber ja ein gutes Beispiel dafür, dass die Marketingmethode (noch?) funktioniert. Sobald irgendwo die Worte limitiert / Sonderausgabe / nur xxx Flaschen / etc. stehen, werde ich hellhörig. Nur zu oft landet der Gin dann auch tatsächlich im Einkaufswagen.
Sammeln an sich ist ja auch nichts Schlimmes, Menschen sammeln alles Mögliche, warum also nicht auch Gin?
Aber ich gehe dennoch davon aus, dass die Hersteller momentan sehr kurz davor sind, das Ganze zu sehr auszureizen. Viele Kommentare von Ginfreunden gehen schon in die Richtung, dass sie solche Spielereien nicht mehr mitmachen, nicht mehr bereit sind, diese Preise zu bezahlen. Die aktuell noch rasend schnell ausverkauften Editionen verschiedenster Hersteller zeigen aber auch, dass es momentan noch genug Interessenten gibt und das Ende des Hypes vielleicht nah, aber definitiv noch nicht da ist.
Ich persönlich bin sehr gespannt, wie sich das in der nächsten Zeit weiterentwickeln wird.
Wie seht ihr das Thema?
Welche Distillers Cut oder Sonderausgaben stehen in euren Regalen? Welche davon trinkt ihr und welche bleiben geschlossen?
Joerg Schmidt meint
Hi Dani, sehr wahrer und guter Artikel! Ich bin hier völlig bei dir, was ja auch durch einen ähnlich gelagerten Artikel von uns unterstrichen wird 😉
Viele Grüße
Joerg (aka Doc Joe RG)
Daniela meint
Hi Joerg!
Ich musste gestern auch schmunzeln, als ich deinen Artikel gelesen habe – wenn du nichts dagegen hast, verlinke ich ihn hier auch direkt für alle, die das Thema interessiert 🙂
https://www.omoxx.com/nicht-immer-ist-teuer-gut/
LG
Dani
Felix meint
Hi Daniela
Danke dir für diesen tollen Beitrag.
Ziemlich genau 2Jahre nach deinem Beitrag sieht es so aus als die Distillers Cut noch mehr in Trend sind.
Lass mich es mal mit Wein vergleichen:
Merkt man dort noch einen Unterschied von 50Euro oder 500?
Kann es sein das es das selbe mit dem Gin sein wird oder denkst du nach wie vor das dieser “Hype” zusammen brechen wird?
Liebe Grüsse aus der Schweiz
Daniela meint
Das treibt mittlerweile noch wildere Blüten – so ist zumindest mein Eindruck.
Zwar gehen manche Sammler*innen nicht mehr jedes Angebot mit, dafür kommen aber ja auch immer neue Gin-Fans nach. Der Hype scheint mir also ungebrochen.